Zum 1. Januar 2007 sind Bulgarien und Rumänien der Europäischen Union beigetreten. Die damit entstandene gemeinsame Grenze mit der Schwarzmeerregion und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Oktober 2005 könnten zu einer noch engeren Nachbarschaft führen. Die EU-Programme und Initiativen in der Region sind unterschiedlich: Hier kommen die Erweiterungspolitik, die strategische Partnerschaft mit Russland, bilaterale Abkommen mit einzelnen Staaten im Rahmen der Nachbarschaftspolitik sowie der Kooperationsbestrebungen aller beteiligten Seiten zusammen.
Zu diesem Zeitpunkt übernahm Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU und wie erwartet ergriff die Initiative, das vielfältige wirtschaftliche, politische und soziale Potenzial des Schwarzmeerraums und Zentralasiens auszuloten. Gemeinsam mit der Kommission und weiteren EU-Partnern entwickelte Deutschland das Konzept der „Schwarzmeersynergie“ und der Zentralasienstrategie.
- Schwarzmeersynergie
Es entsteht ein neuer Rahmen für die nachbarschaftlichen Beziehungen, in dem die ENP-Staaten ihre außenpolitischen und wirtschaftlichen Prioritäten und Interessen verfolgen: in regionalen Projekten und Organisationen in Bereichen wie Sicherheit, Energie, Transport, Umwelt und Wirtschaft in verschiedenen Konstellationen und mit unterschiedlicher Verbindlichkeit.
- Zentralasien
Bei der Zentralasienstrategie richtete die deutsche Ratspräsidentschaft ihre und damit auch die Aufmerksamkeit der EU auf eine völlig neue Region. Sichtbar wurde hier die Konvergenz deutscher und europäischer Interessen. Dabei setzte Deutschland seine diplomatische Erfahrung und Kompetenz in der Region ein: Als einziger EU-Staat verfügt Deutschland über diplomatische Vertretungen in allen zentralasiatischen Staaten. In der Vorbereitungsphase der deutschen Ratspräsidentschaft besuchte Frank-Walter Steinmeier als erster deutscher und EU-Außenminister die fünf Hauptstädte Zentralasiens. Dies deutet auf die starke diplomatische und politische Präsenz Deutschlands in einer Region hin, in der die EU im Vergleich zu den USA und Russland unterrepräsentiert ist.
Das heutige Engagement Deutschlands im östlichen Europa erklärt sich aus der historischen Verantwortung sowie seinen Erfahrungen während der Osterweiterung der EU. Die deutsche Ostpolitik pflegte auch traditionell einen besonderen Umgang mit Großmächten und insbesondere mit Moskau als ihrem Schwerpunkt. In den siebziger Jahren leitete die Ostpolitik Willy Brandts eine Periode der Kooperation zwischen Ost- und Westeuropa ein, die einen „Wandel durch Annäherung“ erreichen wollte. Diese Idee findet in einer geänderten Form, als „Annäherung durch Verflechtung“, bei der deutschen Präsidentschaft wieder. Russland „zur Kooperation zu ermutigen“, „eng an seiner Seite zu halten und seine Vernetzung mit Europa zu fördern“ waren die Leitsätze der deutschen Präsidentschaft.
Deutsche Ostpolitik |
Seit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 definiert sich deutsche Außenpolitik neu. Krisenmaßnahmen wie "Kurzarbeit" und "Abwrackprämie" sind zum Exportschlager geworden und führten die Bundesrepublik sicher durch die weltweite Krise.
"Strotzend vor Export-Erfolg scheint das seit 20 Jahren wiedervereinigte Deutschland sich zu neuen globalen Ufern aufzumachen. Jedenfalls wächst das neue Deutschland sichtlich aus dem europäischen Haus heraus. Die alten Paradigmen bundesdeutscher Außenpolitik – europäische Integration und transatlantische Beziehungen sind zwei Seiten derselben Medaille – sind nicht nur verstaubt: Sie sind nicht mehr präsent in der außenpolitischen Debatte Deutschlands, die sich derzeit irgendwo zwischen China und Sitz im Sicherheitsrat bewegt." (Ulrike Guérot)
Eine Frage scheint berechtigt zu sein: Is Germany going global? Und eine berechtigte Antwort:
"This combination of economic revival and international clarity confirms that there is indeed, no German national “masterplan” - but there is a definite tendency towards what might be called “going global alone”. This leaves other European countries with a key choice - which is no longer a German problem, as many in Germany think that ultimately Germany can do its own business in the world. To be sure, this is more a policy by default than a strategic vision; and if it is probably good for Germany, it is not necessarily so for Europe. In short: Germany is outgrowing Europe!" (Ulrike Guérot)
Im Juli 2010 absolvierte Angela Merkel eine Auslandsreise nach Russland, China und Kasachstan. Die deutsche Kanzlerin begleiteten über 25 Wirtschaftsvertreter, darunter Siemens und Metro, und Kabinettsmitgliedern. Die abgegebenen Statements in Russland, China und Kasachstan bestätigen die These, dass diese Reise dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern dienen sollte, die weit über den Osten Europas hinausgehen.
In diesem Zusammenhang bleibt eine Frage offen: Ist der Osten Europas noch "attraktiv" genug?
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