Oktober 26, 2010

Über den Rechtsruck in Europa und den EU-Beitritt der Türkei

Europa im Jahre 2010 rückt nach Rechts!

In die Parlamente der Niederlande und Schwedens, einst das Flaggschiff Europas für liberale Ideen und bessere Integration von meistens muslimischen Einwanderern, sind 2010 rechtspopulistische Parteien eingezogen. Dies ist in Dänemark (seit den 90er Jahren) und Norwegen schon lange der Fall.

Wie sieht es denn im Rest der Europäischen Union aus?

Rechtsruck überall in der Europäischen Union: Nicht nur der Norden der Europäischen Union ist  davon betroffen. Im Süden (Italien), im Osten (Bulgarien, Serbien) und in Mitteleuropa (Österreich,  Slowakei und Ungarn) erhalten fremdenfeindliche Parteien breiten Zuspruch in der Bevölkerung und bekommen somit direkte (Beispiel die Niederlande, Italien) oder indirekte (Beispiel Bulgarien) Beteiligung an den Regierungsgeschäften des jeweiligen Landes.

Rechtsruck in Europa 2010. Autor: Hr. Hrisoskulov. Datenquellen: Der Tagesspiegel vom 13.04.2010 und 04.10.2010
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Rechtsruck in Europa und dem EU-Beitritt der Türkei?  

Stünde die Entscheidung über einen Beitritt im Jahre 2010, sähe dies ganz aussichtslos aus!

Politische Spitzenvertreter rechtspopulistischer Parteien in den Niederlanden (Partij voor de Vrijheid). Schweden (Schwedendemokraten) und Österreich (FPÖ) lehnen kategorisch den EU-Beitritt der Türkei ab. Deutschland und Frankreich betonen verstärkt die politische, wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Türkei für die erweiterte Union, ziehen oftmals eine Priviligierte Partnerschaft (sei es im Rahmen der Östlichen Partnerschaft oder der Union für das Mittelmeer) in Betracht. Die heutige Regierung in Bulgarien unterstützt den Wunsch der Türkei, der EU beizutreten, ohne diese Frage in einem Referendum im eigenen Land zu stellen. Zusätzliche Spannungen, Ängste und Vorurteile sorgen jedoch für einen eher kühlen Umgang mit der Türkei in der Gesellschaft: die Frage der in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vertriebenen türkisch-stämmigen Bulgaren in die Türkei und der während des Ersten Weltkrieges vertriebenen Bulgaren aus der Türkei und ihre in der Türkei verbliebenen Immobilien.

Und auf europäischer Ebene machen die rechtspopulistischen Parteien mobil. Am 23. Oktober 2010 nahmen in Wien auf Einladung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Vertreter rechtspopulistischer Parteien aus anderen EU-Staaten an einer Tagung teil und beschlossen unter anderem ein europaweites Bürgerbegehren gegen den EU-Beitritt der Türkei. Ein solches Bürgerbegehren sieht der neue Vertrag von Lissabon vor:
"Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen."  Art. 8b (4)
Die Frage, ob sich die rechtsextremen Parteien auf solch ein Projekt einigen können, steht ziemlich offen. Denn die Realität ist eine andere. Oftmals unterscheiden sich immens die Wahrnehmungen und die Ideen rechtspopulistischer Parteien: 
  • Während die rechtspopulistischen Parteien im Westen der EU als Feindbild den Islam und die Einwanderer aus islamischen Ländern haben, stellen diese Parteien im Osten (Beispiel "Jobbik" in Ungarn und "Ataka" in Bulgarien) der EU Roma und andere Minderheiten (Homosexuelle) in den Mittelpunkt ihrer Hetzkampagnen.
  • Nach der Wahl für das Europäische Parlament im Juli 2009 schafften auch rechtspopulistische Parteien den Einzug ins Parlament. Auf eine gemeinsame Fraktion im Parlament konnten sich diese Parteien bis heute noch nicht einigen.
Entgegen dem Trend in der Europäischen Union äußerte sich der Minister für EU-Angelegenheiten und Chefunterhändler der Türkei bei den EU-Beitrittsgesprächen, Egemen Bagis:
„Ich glaube, dass der türkische Beitritt zur Europäischen Union das beste Gegenmittel gegen Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie wäre.“ (Der Tagesspiegel)
Wie steht es um die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei?  

Am 11. Dezember 1999 bekam die Türkei den Status eines Beitrittskandidaten. Erst am 4. Oktober 2005 nahm die Europäische Kommission die Beitrittsverhandlungen mit dem Land auf. Fünf Jahre danach sind acht der 35 Verhandlungskapitel gesperrt, denn die Türkei weigert sich, die Häfen für Schiffe aus Zypern (der griechische Teil der Insel gehört der EU an) zu öffnen. Des Weiteren legten Frankreich und Zypern Veto auf weitere Kapitel ein.

Die Zukunft der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist eine offene, die ständig innerpolitischen Entwicklungen in der Europäischen Union ausgesetzt ist. Daher: „Wir arbeiten geduldig, lernen unsere Lektion und hoffen, den Beitrittsprozess erfolgreich abzuschließen“, so der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.        
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3 Kommentare:

EU21Global hat gesagt…

Bulgarian PM loses support over Turkish EU bid (Link: http://waz.euobserver.com/887/31124)

EU21Global hat gesagt…

EU bemängelt Grundrechtsdefizite in der Türkei: Nur ein Beitrittskapitel abgeschlossen (Link: http://www.euractiv.de/erweiterung-und-partnerschaft/artikel/eu-bemangelt-grundrechtsdefizite-in-der-trkei-003885)

EU21Global hat gesagt…

Die Position Deutschlands zu einem EU-Beitritt der Türkei hängt zunehmend von der Integrationsdebatte im Land ab.

Rita Süssmuth über Integration: "Man kann den Kampf der Kulturen auch herbeireden" (Link: http://www.sueddeutsche.de/politik/rita-suessmuth-im-gespraech-man-kann-den-kampf-der-kulturen-auch-herbeireden-1.1019669)

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