Der Türkei-Besuch des Bundespräsidenten Christian Wulff findet riesige Resonanz und Brisanz in der deutschen Gesellschaft. Die Integration der in Deutschland lebenden Türken ist das meistdiskutierte innenpolitische Thema seit Thilo Sarrazin sein Buch "Deutschland schafft sich ab" vorstellte. Talkshows, Print- und Internetmedien wie auch der normale Bürger in der Eckkneipe beschäftigen sich mit dem Thema Integration. So auch der Türkei-Besuch des Bundespräsidenten steht voll im Lichte dieser Diskussion.
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Reichstagsgebäude: Deutscher Bundestag. Foto: Hr. Hrisoskulov. All Rights reserved! |
In seinem Interview für die türkische Zeitung "Hürriyet" und in seiner Rede vor der Großen Nationalversammlung in Ankara hebt Christian Wulff diese drei Aspekte hervor:
Deutschland hat großes Interesse, dass die Türkei ihren Kurs nach Europa fortsetzt. Ich wünsche mir eine Türkei, die ihre Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftsordnung immer weiter auf europäische Standards bringt und so europäischen Investoren Rechtssicherheit und gute Rahmenbedingungen für ein dynamisches Wachstum bietet. Eine auf diese Weise politisch und wirtschaftlich in Europa verankerte Türkei, die gleichzeitig ihre Möglichkeiten zur Kooperation mit ihren sonstigen engeren und weiteren Nachbarstaaten nutzt, ist für Europa und für Deutschland ein großer Gewinn. (Interview)
Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Anbindung der Türkei an die Europäische Union. (Rede)
- neue Bedrohungen in der Welt
Heute
sehen wir uns den Bedrohungen des 21. Jahrhunderts gegenüber, etwa dem
Terrorismus, asymmetrischen Bedrohungen durch militante extremistische Gruppen
sowie der Proliferation von Nuklearwaffen. Um diesen Herausforderungen zu
begegnen, müssen wir vertrauensvoll gemeinsam handeln. (Rede)
Das Thema Sicherheit kann in drei weitere Aspekte unterteilt werden: der Südkaukasus und Zentralasien, der Nahe Osten und Iran. All das sind Regionen, die von besonderer Bedeutung für Deutschland sind. Es geht um die sichere Energieversorgung Deutschlands und der EU, um Regionen mit immensem Konfliktpotenzial.
- Südkaukasus und Zentralasien
Aber
die Türkei hat auch vielfältige, auf einer langen gemeinsamen Geschichte
beruhende Bindungen in den Nahen und Mittleren Osten und nach Zentralasien. (Interview)
Mit
Respekt und Sympathie betrachtet Deutschland die Schritte, die die Türkei
unternimmt, um die Beziehungen zu ihren Nachbarn positiv zu gestalten. Für die
Annäherung zwischen Ihrem Land und Armenien haben Sie unsere volle
Unterstützung. Die Normalisierung der Beziehungen wäre ein Schritt in eine
gemeinsame Zukunft - mit einer offenen Grenze, die politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Austausch ermöglicht, bei dem auch umstrittene
Themen nicht mehr ausgeblendet werden. Dies wäre auch ein wichtiger Beitrag zur
Stabilisierung der Region. Ich möchte Sie bitten und ermutigen, auf diesem Weg
voranzuschreiten. (Rede)
Wir sind davon überzeugt, dass die Sicherheit Israels
langfristig nur durch die Schaffung eines demokratischen und lebensfähigen
palästinensischen Staates gewährleistet werden kann - eines Staates, der Seite
an Seite in Frieden mit Israel existiert. Deshalb unterstützen wir bilateral
und im Rahmen der Europäischen Union Präsident Abbas und Premierminister Fayyad
beim Aufbau staatlicher Institutionen. Und wir setzen unsere Hoffnungen auf die
laufenden Friedensgespräche. Beide Seiten müssen über ihren Schatten springen,
um den Verhandlungen zum Erfolg zu verhelfen. Wir alle sollten dabei unsere
konstruktive Hilfe leisten. (Rede)
Ihr Land sieht sich in besonderer Weise den Ambitionen Irans im Nuklearbereich
gegenüber. Unsere Zweifel am ausschließlich friedlichen Charakter des Programms
bestehen fort. Wir teilen Ihre Sorge, dass es zu einem nuklearen Wettlauf im
Nahen und Mittleren Osten kommt, wenn wir hier nicht rechtzeitig Einhalt
gebieten. Wir arbeiten aktiv mit unseren Partnern im E3+3-Kreis an einer
diplomatischen Lösung. Gleichzeitig müssen wir aber auch deutlich machen, dass es nun an Iran ist,
Bewegung zu zeigen. (Rede)
In seinem Unterfangen ist Deutschland auf die Hilfe anderer Staaten angewiesen. Nur mit zuverlässigen Partnern in wichtigen Regionen der Weltpolitik lässt sich eine effizinte globale Politik betreiben.